Die Küste der westlichen Algarve ist wie der Name (Felsalgarve sagt) aus dicken (geologisch inkompettenten) Sandstein- und Kalkschichten aufgebaut, die nun vom Meer und Wind abgebaut werden und bizarre Felsformationen und malerische Höhlen bilden, die gespickt sind von Ausflugsbooten und Badegästen. Die Marinas liegen, wie auch an der Westküste von Portugal, meist in Flussmündungen, die schon von Alters her besiedelt waren. Dies heisst aber auch, dass die Zufahrten mitunter bei ungünstigen Gezeiten- und Windbedingungen zu echten oder gefährlichen Herausforderungen werden können, wenn sich die Wellen zu Overfalls (aufgetürmte Wellen) aufwerfen. Oft sind die Hafeneinfahrten schlecht ausgebaggert und leider manchmal auch nicht gut betonnt, unser Hubkiel kommt auch hier immer wieder zum Einsatz. Das Segeln wird aber zu gemütlichen kurzen Tagestörns, wir können uns leisten mal mit 3kn zu dümpeln. Die unangenehme hohe Dünung des Atlantiks wird durch das Cabo São Vicente stark abgebremst. Die kühlen Nordwinde erreichen uns nicht mehr.
Die Marina von Lagos ist bei unserer Ankunft gerade Zielort einer Segelregatta, die Marina ist bekannt als Absprunghafen nach den Azoren, Madeira und den Kanaren. Ganz Europa und einige Überseesegler treffen sich hier, trotzdem finden wir einen bequemen Liegeplatz. Im Städtchen wird mehr englisch und deutsch gesprochen als portugiesisch. Wir erhalten Besuch von einem Schweizerpaar, die seit ein paar Jahren in dieser Marina einen Katamaran stationiert haben. Damit haben sie mit ihren Kindern einen Winter lang die Kanarischen Inseln bereist und sind über die Azoren nach Portugal zurückgereist. Offenbar ist das doch nicht so schwierig, wie ich mir das vorstelle!
Da es nun auch endlich Sommer geworden ist, geniessen wir den schönen breiten Strand. Sogar Max ist froh um eine Abkühlung, bevor wir dann am Abend die Finals der Fussball-WM mit allen anderen an den TV-Schirmen verfolgen.
Der Zwischenhalt in der Lagune von Alvor wird wegen schlecht bezeichneten Sandbänken zu einem Abenteuer, wir haben den Kiel offenbar doch zu wenig hochgenommen! Auch ladet die starke Strömung und das sandigtrübe Wasser nicht zum Schwimmen ein. Umso willkommener ist die Flaute vor Portimão, wo wir im glasklaren 17 Grad warmen (oder kalten) Meer eine Abkühlung suchen. Gusti taucht zum Kiel, der von der Grundberührung im Sand kaum zerkratzt ist, und findet am Ruder eine alte Fischnetzleine eingeklemmt, die uns wahrscheinlich schon seit der Biskaya begleitet.
In Portimão und Albufeira sind wir zu unserer Überraschung schon fast wieder alleine in der Marina, die bunten Dörfchen gehören aber zum Grossteil den Touristen va. aus England. Alle Segler (grosse Motorjachten fehlen fast ganz) scheinen in der grossen Lagune bei der Isla Culatra am Anker zu liegen. Dort zählt Max mindestens 50 Segler, die hier eine ruhige, kühle Nacht verbringen wollen. Nachts gleicht die Bucht mit den vielen Ankerlichtern einer Weihnachtsdekoration . Nur die Einwohner der kleinen Gemeinde auf der Insel Culatra scheinen nicht alle an den vielen Segelbooten Freude zu haben. Sie brausen tag und nachts mit ihren kleinen Motorbooten mit Vollgas durchs Ankerfeld. Am nächsten Morgen schwimmt neben unserem Boot keine 10 m entfernt eine Fischerboje. Wir bewaffnen uns mit einem starken Messer, um den allfälligen mit unserem Anker verhakten Fischernylon durchschneiden zu können. Möchte man die Touristenboote auf diese Art vertreiben? ( uns bekannte Streitigkeiten ums “Eigen” lassen grüssen!)
Das nächste Abenteuer ist nun die Umschiffung der grossen Fischzuchten über den künstlichen Riffs, von denen man uns Horrorgeschichten erzählt. Wir hören von einem Segler, der sich trotz der Markierung mit gelben oder Quadrantentonnen in ein festausgelegtes Thunfischnetz (mit Stahlseilen) verirrte und sein Boot aufgeben musste, weil er auch von der Küstenwache nicht daraus befreit werden konnte. Seither liege das Schiff gestrandet irgendwo am Strand. Wir machen deshalb jeweils einen grossen Bogen um diese Gebiete und erstehen in Cadiz wie vorgehabt die genauen Seekarten vom Estrecho (vom span. Hydrographischen Institut 2 Tage vorher berichtigt!) Sich nur auf die elektronischen Karten zu verlassen scheint uns hier zu riskant. Wir sehen Thunfische und Kleinwale, die sich gegenseitig die Beute abjagen. (wieder haben wir unsere Fischerutensilien nicht bereit!)
Am Grenzfluss Rio Guadiana müssen wir Portugal bereits wieder verlassen. Wir gehen im spanischen Ayamonte an Land. Wir haben schon fast das Gefühl “nach Hause” zu kommen, die spanische Kultur und Sprache liegt uns einfach näher als die portugiesische. Im Supermercato gibts die uns bekannten Produkte zu kaufen und es hängen knapp hundert (sic!) Jamonkeulen in der Auslage. Allerdings meint der Capitan, der Hafenmeister sei nett, habe aber einen Sprachfehler. Im “andalusischen Spanisch” werden die Konsonnanten kaum ausgesprochen. Der Fado wird vom nicht minder ernsten und schwermütigen Flamenco abgelöst! In der Architektur wird der arabische Einfluss immer deutlicher spürbarer. Andalusien war noch mindestens 3-4 Jh. länger unter Kalifenherrschaft als Portugal.
Hier verstauen Gusti und Max das Beiboot und ertüfteln und designen mit Hilfe von Richard von der irischen “Freya” einen neuen Davit (Aufhängevorrichtung fürs Beiboot), damit wir in Zukunft das Ding einfacher zu Wasser lassen könnten (nicht um Thunfische zu fangen). Schon freuen sie sich auf eine Montagetour im Winter nach Palamos! Das Log (Speedometer) wird ausgebaut und gereinigt, weil wir einmal mehr weder wissen, wie schnell wir sind, noch aus welcher Richtung und wie stark der Wind bläst. Wir merken aber bald, dass eine (un)sanfte Behandlung mit einer Holzkelle ebenso wirksam ist!
Die andalusische Küste ist fast menschenleer, die Sonne scheint greller als bisher anderswo (nicht umsonst nennt man sie la Costa de la Luz), aber an jeder Flussmündung vom Rio Guadiana über Rio Tinto mit Huelva bis zum Guadalquivir mit Cadiz, hat es grössere Hafenstädte, die schon vor mehreren hunderttausend Jahren besiedelt waren. Man hat hier Steinwerkzeuge gefunden, die auf ein Alter von 600’000 J. datiert worden sind! Da wird das eigene Schicksal plötzlich klein und unbedeutend! Cadiz ist eine der ältesten Siedlungen Europas, es wurden hier Spuren des phönizischen Gadir (röm. Gades) aus dem Jahre 1100 BC nachgewiesen. Der grosse geschützte Naturhafen bot sich über die Jahrhunderte geradezu an für die Beherbergung eines grossen Handels- und Kriegshafens. Deshalb war es auch immer wieder Ziel kriegerischer Auseinandersetzungen. Im 18.Jh. wurde die Stadt mit der Casa de la Contractación zur Monopolbehörde für den Amerikahandel zum Umschlagplatz aller Güter aus den Neuen Ländern. Aus dieser Zeit stammen noch die vielen Türme, von denen aus die reichen Kaufleute beobachten konnten, welche Schiffe im Puerto America ein- und ausliefen. Heute wird Cadiz von vielen Kreuzfahrtschiffen angelaufen, deren Gäste die engen, immer von einem kühlen Atlantikwind durchwehten Gassen der Altstadt bevölkern. Zur Zeit wird eine grosse Hängebrücke über die nördliche Bucht gebaut, um die Stadt besser mit dem Tal des Guadalquivir verbinden.
Das scheinbar ausgedörrte Land im unteren Guadalquivir-Tal wird schon seit Alters her fast bis in den letzten Quadratmeter bebaut mit Korn, Baumwolle, Olivenbäumen, Mais und Sonnenblumen (leider schon verblüht!) und um Jerez de la Frontera auch Weinreben. Hier lernen wir, warum mein Lieblingsapéro Sherry seinen speziellen Geschmack hat (werde aber in Zukunft im “Sa Punta” Amontillado de Jerez bestellen!)
Wassermangel scheint es wider Erwarten auch in den zahlreichen recht gut gepflegten Marinas nicht zu geben. Der Segeltourismus wird lebhafter, wir treffen immer wieder altbekannte Belegschaften zB. die rote “Zora”, der wir schon vor Stockholm begegnet sind (die Welt ist…)
Der Ausflug mit dem Zug nach Sevilla wird natürlich zu einem beeindruckenden Erlebnis! (schon lange lag diese berühmte Stadt auf unserer Wunschliste für eine Städtereise). Die Stadt soll der Legende nach von Hercules gegründet worden sein, tatsächlich aber ebenfalls von den Phöniziern. Sie war in der Römerzeit als Hispalis bekannt, hier wurden die römischen Kaiser Hadrian und Trajan geboren. Nach der Reconquista war sie kurze Zeit Hauptstadt Spaniens und war in der Neuzeit Ausgangsort für die grossen Entdeckungen auf dem Seeweg. Wir als “Seeleute” pilgern deshalb trotz der grossen Hitze durch die malerischen Gässchen zum Grab von Kolumbus in der grossen und beeindruckenden 5-schiffigen, gotischen Kathedrale mit dem Giraldaturm (Turm der alten Moschee), zum Torre de Oro am Ufer des Guadalquivir und die üppig gestaltete Plaza de Espagna, wo man in einem grossen Garten die ehemaligen Pavillone (Paläste) der Ibero-Amerikanischen Ausstellung von 1929 findet. (Im Hauptgebäude gibt es für jede in Andalusien angebaute Agrarfrucht ein spezielles Amt, zB. für Avena, Trigo etc…!) In den vielen Innenhöfen des Alcazár kann man der Hitze entgehen und die überquellende Ausschmückung und Architektur der maurischen Bauweise auf sich wirken lassen. Hier vermählte sich der grosse Carlos I. (Karl V.) mit Isabel von Portugal. Es gibt auch ein ultramodernes Sevilla mit den Holzplastiken (Setas) auf der Placa de la Encarnación, den Pavillons der Weltausstellung 1992 und den modernen Brücken (zB. von Calatrava) über den Guadalquivir. Schade, dass gerade kein Stierkampf stattfindet, Gusti hätte die grosse Arena gerne in Aktion erlebt! In Sevilla lernen wir auch uns dem spanischen Rythmus zu ergeben, von 3 Uhr mittags bis abends um 8 Uhr liegt man am besten mit einem kühlen Getränk irgendwo am Schatten, vor 21 Uhr sind die Restaurants gar nicht geöffnet und sogar die vielen behinderten Bettler (ein für einen verwöhnten Schweizer unverständliches Phänomen!) verschwinden von der Strasse!
Die Fahrt vom schönen und kühlen Cadiz nach der spanischen Marina La Linea in Gibraltar durch den berüchtigten Estrecho (mit Flüchtlingsbooten und schlafenden Pottwalen) müssen wir ohne Max machen, der uns in Sevilla verlassen hat. Wir können uns ohne Druck in Barbate Zeit lassen, den Strand geniessen und eine Klippenwanderung Richtung Kap Trafalgar machen (wo Nelson Napoleon besiegte und dabei sein Leben liess) Zum letzten Mal müssen wir wegen der ungünstigen Timetable der Gezeitenströme bei Dunkelheit aufstehen, um die Strasse von Gibraltar schadlos durchsegeln zu können. Die Meteo stimmte haargenau. Der Westwind schiebt uns mit bis zu 26kn in die grosse Bucht von Gibraltar, wo wir von 100erten von Delphinen und einer gepflegten Marina empfangen werden. Von nun an werden wir ohne Gezeitenströme und Atlantikwellen im Mittelmeer unterwegs sein!

Caroline und Gusti, SY Gamper, La Linea/Gibraltar